Kurzporträt Hélène Kaufmann Wiss, Goldschmiedin und Malerin

Werk

Wenn man wie ich seit vielen Jahren das Schmuckschaffen von Hélène Kaufmann Wiss beobachtet und auch Schmuck von ihr trägt, wirken die Schmuckstücke in den Auslagen von vielen Schmuckgeschäften auf einen eigentümlich nichtssagend oder auch niedlich und beinahe etwas verloren. In Hélène Kaufmann’s freien Arbeiten klingen andere Dimensionen an als das formell ‚Schöne’ und das materiell ‚Wertvolle’. Ihre Schmuckobjekte sind herausragend. Dies nicht nur – aber auch – weil sie meistens grossformatig gestaltet sind. Vor allem vermögen sie Geschichten zu erzählen, sie berichten von Ahnungen und Erlebtem, sie vermögen Zusammenhänge von scheinbar einander Fremdem vorstellbar zu machen.

Ihr bevorzugter Werkstoff ist das edle und doch vergleichsweise erschwingliche Silber. In Form und Farbe besondere Steine sowie Elemente aus der Natur beflügeln ihre Fantasie. Inspirieren lässt sich die Goldschmiedin einerseits von persönlich Erlebtem oder Thematischem, andererseits bezeichnet sie auch aktuelle KünstlerInnen und solche, die selber Schmuck als künstlerische Ausdrucksform verwendeten (u. a. Meret Oppenheim, Alberto Giacometti) als AnregerInnen für die Entwicklung ihres Schmuckschaffens.

TrägerInnen ihrer Schmuckkunst-Objekte bewegen und zeigen diese in ihrem Alltag, in ihrer Umgebung, im öffentlichen Raum. Diese Mobilität und Sichtbarkeit ist eine einzigartige Chance der Schmuckkunst. Sie setzt eine gewisse Selbstsicherheit und Debattierlust der Schmucktragenden voraus. Sie bringen künstlerische Standpunkte unter die Leute und mischen sich ein in die ästhetische und gesellschaftliche Diskussion.

Bei diesem Gedanken setzt eine weitere Konstante im Werk von Hélène Kaufmann Wiss an. Seit einigen Jahren arbeitet die Künstlerin mit der Lyrikerin Monika Schnyder projektbezogen zusammen. Sie setzt deren Gedichte in Schmuckstücke um, befreit sie sozusagen aus der Enge der Buchdeckel.

Nebst ihren freien Arbeiten fertigt Hélène Kaufmann Einzelanfertigungen im Auftrag von Kundinnen und Kunden an. Im Gespräch versucht sie, deren Wünsche und Absichten herauszuschälen. Ihre Herausforderung besteht darin, speziell für diese Person ein Schmuckstück herzustellen, mit dem sie ein individuelles Zeichen ihrer Person setzt.Die Malerei war für Hélène Kaufmann zuerst etwas, das sie ausschliesslich für sich selber pflegte. Nach und nach entwickelte sie sich zum gleichberechtigten Ausdrucksmittel. Sie sagt, dass sich die beiden Ausdrucksformen ergänzen, aber nicht eigentlich vergleichbar seien. Ihre Malerei entstehe im Vergessen, im Ausschalten ihres Intellekts. Das gefühlsmässige Empfinden könne sie nicht ausschalten und es manifestiere sich direkt in ihren Bildern. Schmuck indes bedürfe vermehrter gedanklicher Arbeit im Hinblick auf die formale und technische Umsetzung der Ideen.


Leitgedanken/Motivation

Das Arbeiten mit den Händen war schon in der Schulzeit für Hélène Kaufmann Erholung. Neugierig sein und Staunen können regten ihre Fantasie an.

Schmuck begleitet die Menschen seit Urzeiten und birgt viel Potenzial. In allen Kulturen, zu jeder Zeit manifestiert er sich unterschiedlich, ist Ausdruck von Position und Persönlichkeit seiner TrägerInnen. Im Schmuck spiegeln sich auch Entwicklung und Bedeutung von Materialien und Techniken.

Dies alles fasziniert Hélène Kaufmann. Schmuck heute in allen Zusammenhängen immer wieder neu zu definieren und herzustellen, macht sie neugierig und treibt sie an. Immer wieder begibt sie sich experimentierend und forschend auf Gratwanderungen in neue Welten, wobei jene des Vermarktens ihrer Arbeiten eine etwas spezielle und nicht einfache ist.

Freude und Motivation bereitet ihr zu sehen, dass ihr Schmuck für seine TrägerInnen ein Zeichen bedeutet, mit dem sie ihre Einzigartigkeit verstärken. Und dass er ihnen in bestimmten schwierigen Situationen Kraft gibt oder ihnen auch einfach Freude bereitet.


Tätigkeiten

Hélène Kaufmann Wiss arbeitet selbstständig als Goldschmiedin und Malerin mit eigenem Atelier und Verkaufsraum im historischen Klosterviertel der Stadt St. Gallen, im nordöstlichen Teil der Schweiz gelegen. Einen Tag pro Woche ist sie als Lehrerin für Goldschmieden an der Klubschule Migros, der führenden Erwachsenenbildungsinstitution der Schweiz, tätig. Das Weitervermitteln des Goldschmiedehandwerks ist ihr wichtig.

Hélène Kaufmann tritt auch regelmässig als Initiantin und Organisatorin von Ausstellungen und Veranstaltungen, die zeitgenössisches Schmuckschaffen zum Gegenstand haben, in Erscheinung. Das Schaffen von Plattformen für den Austausch von Schmuckgestaltenden untereinander und einem interessierten Publikum ist ihr ein wichtiges Anliegen.

Hélène Kaufmann ist Mitglied von Vereinen und Gesellschaften, welche sich die Förderung von aktuellem Schmuckschaffen zum Ziel gesetzt haben. Im Jahre 2003 wurde sie in den Schweizerischen Werkbund (SWB) aufgenommen. Dieser traditionsreiche Verein thematisiert und unterstützt den Beitrag der Gestaltung für die Entwicklung der Gesellschaft. Hélène Kaufmann arbeitet im Vorstand der Sektion Ostschweiz des SWB.

Moritz Wiss, 31. Mai 2004